Alpina AlpinerX Horological Smartwatch

(21.07.2018 15:00 CET)

Ich bin nicht wirklich wagemutig, wenn es um Bestellungen geht, vor allem, wenn diese in nicht unerheblicher Höhe sind. Insofern ist Crowdfunding immer ein Thema, das mich interessiert, aber wenig zur Beteiligung animiert. Die Kickstarter-Aktion von Alpina, einem renommierten Schweizer Uhrenhersteller, war da eine Ausnahme: Sie können Uhren, warum also keine Smartwatch? Die Uhr an sich war schon im Prototyp-Stadium, und die Kickstarter-Aktion mehr geschickte Marktforschung als eine Anschubfinanzierung.

Und um Kommentaren vorzubeugen: Ich habe meine AlpinerX zum normalen Kickstarterpreis bestellt und voll bezahlt... :-)

Die Idee: Die AlpinerX ist eine Hybrid-Smartwatch, die ein „normales“ Uhrwerk hat und dazu ein Zusatzdisplay, in dem diverse Informationen angezeigt werden. Diese kommen entweder vom verbundenen Smartphone (wie die Benachrichtigungen über Nachrichten, Anrufe, Mails oder die Zeiteinstellung) oder aber Messwerte werden an das verbundene Smartphone übermittelt (wie die Schritte, Höhe. Luftdruck, UV-Wert etc.). Im Normalbetrieb soll die Batterie, eine normale Knopfzelle, zwei Jahre ohne einen Ladevorgang durchhalten.

Über einen Konfigurator konnte aus über 3000 Kombinationen die Gehäuse-, Zeiger-, Lünetten-Farbe, die Art des Armbands und der Schließe und einiges mehr ausgewählt worden. Anhand der Häufigkeit der gewünschten Kombinationen konnte Alpina dann die vom Markt am ehesten gewünschten Kombinationen herausfinden… jeder Backer aber bekam seine eigene, individuelle Version (die es gegebenenfalls am Markt nie geben wird).

Aus Effizienzgesichtspunkten hatte Alpina dann entschieden, die Fertigung nicht nach Eingang der Bestellung, sondern nach Modellhäufigkeit (die Kombinationen von Farben und Materialien, die am häufigsten vorkommen, als erstes) durchzuführen.  Das führte nicht unbedingt zu Begeisterung bei den ersten Backern, auf der anderen Seite: Je später die Uhr kommt, desto seltener ist sie. :-)

Das Modell im Test ist AL-283NNOBOLB: Blaues Gehäuse, blaues Zifferblatt, schwarze Lünette, schwarze Schließe, orangener Innenring und Zeiger. Später dann mit dem originalen orangenen Band. Die ein oder andere Kritik sprach bei der blauen Gehäusefarbe von „billigem Aussehen“, das kann ich nicht nachvollziehen.

Eine Sportuhr wie die AlpinerX ist kein Out-of-the-Box-Produkt. Die Sensoren in der Uhr bedürfen alleine schon technisch bedingt einer Kalibrierung, damit sie funktionieren, und auch das Handbuch sollte man tunlichst lesen. Alpina aktualisiert dieses und stellt auch immer wieder Video-Tutorials auf dieser Seite bereit.

 

Wichtig ist die Kalibrierung vor allem beim Kompass (der ausgerichtet werden muss, sonst zeigt er Quatsch an) und der Höhe, weil diese sich barometrisch bestimmt. Einmal die aktuelle Höhe des Aufenthaltsorts angegeben, berechnet die Uhr den Höhenwert. Das bedeutet aber auch, dass eine Kalibrierung sinnvollerweise immer dann erneut stattfindet, wenn man sich auf den Weg macht und die Höhenwerte nutzen will (denn der Luftdruck hat bei einer barometrischen Höhenmessung nun mal Einfluss auf den Wert!).

Ein ebenfalls immer wieder kritisierter Sensor mit Ungenauigkeiten ist die Temperatur. Da der Sensor in der Uhr sitzt, hat die eigene Körpertemperatur natürlich Einfluss auf den gemessenen Wert. Will man also eine Messung machen, dann macht es Sinn, die Uhr abzunehmen und sich ein paar Minuten akklimatisieren zu lassen. Das aber ist kein spezielles Manko der AlpinerX: Auch die Garmin fenix oder die Tissot T-Touch haben den selben Effekt.

Aus meiner Sicht ist das AlpinerX-Forum auf Kickstarter kein guter Ort, um eine realistische Einschätzung der Uhr zu bekommen (siehe auch Abschlusskapitel).

In der praktischen Anwendung geht Alpina einen deutlich anderen Weg als die anderen Smartwatch-Hersteller: Die AlpinerX ist eine „Horological Smart Watch“ (daher auch das HSW auf dem Zifferblatt), also eine klassische Uhr, die Smartwatch-Funktionen mitbringt. Im Gegensatz zu den Hybrid-Smartwatches von Fossil, Behring, Skagen und anderen Herstellern hat die Alpiner X ein eigenes Display. Ein Segment-Display (wie man es von Radioweckern kennt) zwar, damit keine echte Grafikfähigkeit, aber das reicht – und das komplett wider meiner Erwartung – vollkommen aus. Für Messungen sowieso: Höhe, Luftdruck, Countdown, Stoppuhr, zweite Zeitzone, UV-Wert, Kompasswert, das sind alles Dinge, die sowieso wenig Fläche für Informationen bedürfen.

 

Für mich aber waren und sind bei einer Smartwatch vor allem die Benachrichtigungen vom Telefon der Kern der Anwendung, und da war ich skeptisch: Wie soll ich mit so wenigen Zeichen einen Mail-Absender oder einen Anrufer identifizieren? Zumal die erste Zeile des zweizeiligen Displays nur die Zahl der Benachrichtigungen anzeigt (also beispielsweise „01“), und die sechs Zeichen in der zweiten Zeile sich hälftig in benachrichtigende App und Absender aufteilen. WHA STE wäre dann eine WhatsApp von Stefanie (oder Stefan?), EML AMA eine Email von Amazon. Klingt unkomfortabel? Ist es nicht. Bei 95% der Benachrichtigungen kann ich anhand dieser Daten erkennen, was es ist. Und das sind 95% mehr als bei einer Hybrid-Smartwatch, die mit nur die Zeigerstellungen oder LED-Farben als Hinweis gibt. Keine Frage: Bei meiner Garmin fenix oder meiner Apple Watch sehe ich mehr und kann auch den Inhalt anzeigen lassen, aber mir reicht es so vollkommen aus.

Einziges echtes Manko: Das Fehlen einer Vibration. Alpina hat dies damit verargumentiert, dass das verbaute Uhrwerk dies nicht unterstützt, parallel dazu der Platz in der Uhr nicht vorhanden war und abgesehen davon die Vibration immensen Einfluss auf die Batterielaufzeit hätte.

Auch das war für mich am Anfang eine Einschränkung, die in der Praxis aber wenig wirkt: ich habe das Smartphone meistens in der Tasche, spüre dessen  Vibration, und wenn die Uhr dann einen Piepton von sich gibt, dann weiss ich, dass es sich um eine Nachricht handelt, zu der ich benachrichtigt werden wollte.

Das Display an sich ist eine zweischneidige Geschichte: Auf der einen Seite ist es relativ unaufdringlich, weil es abdunkelt. Wenn man dann eine der Tasten der Uhr drückt, dann leuchtet es auf, in der prallen Sonne (dem natürlichen Lebensumfeld einer Outdoor-Uhr) muss man allerdings schon mal genauer schauen, um es dann auch lesen zu können. Wem es zu dunkel ist (auch einer der gerne mal gelesenen Kritiken), der sollte es in der Companion App auf dem Smartphone hochstellen.

Einer der diskutablen Punkte der AlpinerX ist die Abhängigkeit vom Smartphone: Es gibt nur wenige Dinge, die man an der Uhr einstellen kann: Uhrzeit, Alarmzeiten, der Countdown-Wert, all das funktioniert nur über die App und nicht – wie bei normalen Uhren – über die ja vorhandenen Tasten der Uhr. Einmal eingestellt, läuft die AlpinerX dann autark, auch wenn das Handy aus oder zuhause ist. Diskutiert wurde dieser Kritikpunkt häufig, und es bleibt die Hoffnung, dass sich das über ein Update der Firmware der Uhr und der App später implementieren lässt.

Ansonsten sammelt die App (iOS oder Android) die Daten der Sensoren der Uhr ein, uns stellt sie übersichtlich auf Tages-Wochen oder Monatsbasis dar. 

 

Zu Kickstarter und der AlpinerX-Kampagne:

Ich kann es nicht mehr lesen... „Wann kommt endlich meine Uhr?!“ „Die Auslieferung sollte im Mai beginnen!!!“ „Betrüger!!!“. Mein klarer Appell: Wenn Ihr ein fertiges Produkt kaufen möchtet, das am nächsten Tag zuhause ankommt und einwandfrei läuft, dann kauft doch bitte bei Amazon, Eurem lokalen Uhrmacher, aber nicht bei Kickstarter. Kickstarter ist nun mal eine Crowdfunding-Plattform (wer den Begriff nicht versteht: Eine Finanzierungsplattform für Produkte, die sich im Prototyp- oder gar Entwicklungsstadium befinden. Da sind Verzögerungen von Monaten, teilweise gar Jahren an der Tagesordnung. Und die hat es hier nicht einmal gegeben! Alpina hat sehr zeitnah angekündigt, dass man die am häufigsten bestellten Modelle zuerst fertigen würde. Mit ein wenig Nachdenken kann man daraus schließen, dass eine kleine Backer-Nummer nicht Garant für eine schnelle Lieferung sein kann?

Alpina liefert die letzten der über Kickstarter georderten Uhren Ende Juli aus, also 2-3 Monate nach Start der Auslieferungen. Sorry: Wer sich da aufregt, hat Kickstarter an sich nicht verstanden und auch sicherlich noch keine andere Kickstarter-Kampagne mitgemacht.

Und mein Lieblingskommentar: „Da war nie die Rede davon, dass ich noch 108 Euro an DHL zahlen muss. Das ist Betrug!!!“. Wer lesen kann liest „Geneva, Switzerland“ in der Herkunftsangabe bei Kickstarter. Ist die Schweiz Teil der EU? Nein. Kostet Ware aus der Schweiz dann Einfuhrumsatzsteuer und Zoll? Vermutlich. Kann man das wissen? Natürlich... :-D

Hat die AlpinerX Mängel, wie man aus den Forenbeiträgen schließen kann? Pauschal schwer zu sagen. Meine Uhr funktioniert einwandfrei, einzig eine Schraube an der Unterseite war nicht ganz festgezogen (was ein potentielles Problem für die Dichtigkeit war). Einige der beschriebenen Mängel waren sicherlich auf App-Inkompatibilitäten zurückzuführen (alleine die verschiedenen Android-Versionen machen ja auch anderen Hardwareherstellern zu schaffen). Bei anderen Problemen wie die falschen Höhenwerten oder dem wackelnden Kompass lag das Problem oft zwischen den Ohren... und dann sind da ganz klar auch noch einige Hardwareprobleme wie nicht mehr funktionierende Drücker oder ausfallende Displays, die auch durch die beschriebene Lösung des Resets nicht gelöst werden können. Dann gibt es die Aussage von Alpina:  "Send us a ticket on http://support.alpinawatches.com/helpdesk.htm and select "AlpinerX" under the department choice."

 

Preis:

USD 895,- direkt hier

Fazit:

Danke, Alpina. Nein, die AlpinerX ist nicht vollständig und fehlerfrei, aber das war bei den ersten ausgelieferten Geräten nicht zu erwarten. Vor allem dann nicht, wenn in kurzer Zeit 2700 Uhren in diversesten Konfigurationen zusammengebaut werden mussten. Das, was die AlpinerX aber jetzt schon bietet, ist für mich auf jeden Fall für eine Smartwatch ohne Grafik-Display ganz vorne dabei. Und durch die Möglichkeit des OTA-Updates und der App-Updates dürfte nach der heißen Phase der Kickstarter-Auslieferungen auch dafür Zeit sein. Ich für meinen Teil freue mich an der Uhr und auf die Dinge, die da noch kommen!

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